Veggie-Day – Realpolitik erklimmt neue Höhen - Von Philipp Heine
In unserer politisch korrekten Oase Deutschland erscheint
ein neuer Stern der Vernunft am Firmament: Der Veggie-day. Angesichts der
Heerscharen von Mitbürgern, die für ihr Gewicht zwei Meter zu klein geraten sind,
scheint der Vorschlag, all jene, die auf die kulinarischen Genüsse des
Kantinenessen täglich angewiesen sind, an einem Wochentag per Dekret auf
vegetarische Schonkost zu setzen, einleuchtend. Auch das Argument, dass
Fleischverzehr – wie eigentliche alle Äußerungsformen der modernen Gesellschaft
und des Wohlstands – klimaschädlich sei, lässt den nach Ängsten süchtigen
Deutschen wenigstens kurzfristig nicken.
Nun ist es aber so, dass verschiedene Erfahrungen in meinem
Leben, die ich im Umgang mit der vegetarischen Küche und ihren oft streitbaren
Vorkämpfern gemacht habe, gewisse Alarmglocken erklingen lassen und mich zu
einem kritischen Innehalten zwingen.
Ich möchte diese Erfahrungen kurz skizzieren:
Fast jede gemeinsame Mahlzeit mit Vegetariern und erst recht
mit jenen modernen Märtyrern, die sich Veganer nennen, führte zu einer
deutlichen Verschlechterung des Genusses und des Wohlbefindens. Nahm ich
Fleisch zu mir, fühlte ich mich – meist zu Recht – einem zeigefingerwedelnden Blick
ausgesetzt, dessen einziger Zweck die Erzeugung von schlechtem Gewissen war. In
vielen Fällen blieb auch eine Belehrung nicht aus, die entweder pädagogisch
wohlwollend oder offen feindselig ausfallen konnte. Unter diesen Bedingungen
büßt selbst das beste Filetsteak einen Großteil seiner normalerweise herrlichen
Wirkung ein. Entschied ich mich hingegen, der vegetarischen Küche eine Chance
zu geben, so sah ich mich regelmäßig mit Variationen von Tofu, Bratlingen,
Germknödeln, Aufläufen oder den Beilagen eines normalen Hauptgerichts, dem der
Höhepunkt abhandengekommen war, konfrontiert. Wäre ich eine Frau, hätte ich
freudig in die Hände geklatscht und gerufen: „Oh schön, es ist nicht zu
mächtig!“. Ich bin aber keine. Entsprechend wird es kaum überraschen, dass eine
Mehrheit dieser Versuche mit der Gewissheit endete, dass das Schnitzel mit
Pommes sogar dann besser gewesen wäre, wenn ein Veganer beim Verzehr zugeschaut
hätte.
Wenn ich mich also empathisch in die Kantinenkunden
hineinversetze und mir vorstelle, den Rest meines Arbeitslebens damit
zuzubringen, einmal pro Woche eine gesetzlich verordnete Enttäuschung zu
erleben, dann beginnt die Genialität der Idee „Veggie-Day“ in meinem Kopf zu
bröckeln.
Derart emotional aufgewühlt drängt sich mir die Frage auf,
wie eine solche Idee entstehen konnte.
Urheberin des Projekts sind – wie könnte es auch anders sein
– die Grünen. Bei den Grünen handelt es sich um eine Wellness-Partei, die es
besonders Studenten, Lehrern und Jüngern der 68er-Bewegung ermöglicht, sich
stets im Recht zu fühlen, indem sie alles, was schädlich, ungesund und
politisch inkorrekt erscheint kategorisch ablehnt. Zu diesen Dingen zählen etwa
Infrastruktur, Verkehr, Verteidigung und moderne Technologien. Grundsätzlich
zweifelhafte Dinge abzulehnen ohne tragfähige und finanzierbare Alternativen
anzubieten, macht die Grünen moralisch nahezu unangreifbar. Die einzige
Alternative, die die Grünen seit jeher anzubieten hatten, waren die
alternativen Energien, die nun aber leider zum Allgemeingut geworden sind.
Damit die konzeptionelle Planlosigkeit der Partei nun vor der Bundestagswahl
nicht zu einer Entzauberung führen könnte, brauchte es etwas Beherztes und Handfestes:
Den Veggie-Day.
Warum mache ich mir nun die Mühe, dieses politische Kleinod
zu kommentieren?
Die Antwort wirft ein düsteres Licht auf meine Person: Ich
bin bekennender Fleischesser, Raucher und Autofahrer.
Seit der Nazi-Zeit haben die (meisten) Deutschen zu Recht gelernt,
dass es verwerflich ist, einen Menschen aufgrund seines Geschlechts, seiner
Religion oder ethnischen Herkunft zu diskriminieren. Es ist anzuerkennen, dass
die Grünen stets eine politische Speerspitze dieses Lernprozesses gewesen sind.
Tragischer Weise hat das Trauma des Dritten Reichs auch zu Scheuklappen
geführt, die Diskriminierung ausschließlich mit den genannten Unterscheidungsmerkmalen
in Verbindung bringt. Die Diskriminierung
und Ausgrenzung von Fleischessern, Rauchern und Autofahrern ist
politisch völlig korrekt. Ironischerweise tun sich die sonst so integrativen
Grünen hier als Hauptakteure hervor. Rauchen, Fleischessen oder Autofahren ist
nur dann tragbar, wenn eine Behinderung, ein Migrationshintergrund oder eine
religiöse Einstellung als Begründung herhalten könnte. Leider trifft nichts
davon auf mich zu.
Ich finde es mehr als Bedenklich, dass in der Politik
Deutschlands und Europas eine Tendenz spürbar wird, die zu einer ängstlichen
und wohlmeinenden Bemutterung der Bürger führt. Wie ein kleines unmündiges Kind
will uns die Übermama Regierung per Gesetz dazu zwingen, stets vernünftig und
gesund zu leben. Alles was man tut, wird daraufhin analysiert, ob dabei kleine
Kinder zu Schaden kommen könnten. Leider wird darüber vergessen Kita-Plätze zu
finanzieren und ein einheitliches Schulsystem einzuführen.
Es zeichnet sich also ab, dass in kleinen und kaum
merklichen Schritten die Freiheit und Mündigkeit der Bürger eingeschränkt werden.
Ich könnte mit weniger Freiheit zum Wohle aller gut leben, wenn es sich nicht
dummerweise bei den verbotenen Dingen genau um die handelte, die das Leben
lebenswert machen. Ich bin überzeugt, dass auch Vernunft in Maßen genossen
werden sollte.
Ich bin übrigens sicher, dass am Veggie-Day wie aus dem
Nichts plötzlich Imbiss-Wagen vor allen Kantinen erscheinen und den Umsatz von
Fleisch aus der Massentierhaltung in die Höhe treiben werden.
Ich wünsche Ihnen allen einen guten Appetit!
Philipp Heine