Pegida gab es schon vor 30
Jahren an der Hildesheimer Börde - von Captain Slow
Seit ein paar Monaten rennt hier und
dort, meist drüben, ein kleiner Haufen Spinner auf die Straßen,
nennt sich Pegida und verkündet eine Menge dumpfen Unsinn. Das Echo
in den Medien ist gewaltig, weil da ein ganz neues Phänomen geboren
wurde. Und nun diskutiert Anne Will im Wettkampf mit Jauch, Plasberg
usw. darüber, wie man dieser ganz neuen Bewegung wohl begegnen muss.
Das ist also alles neu? Zwischen
Erzgebirge und Magdeburger Börde liegt also nicht Deutschlands
Hochburg des Multi-Kulti? Wieder was gelernt. Das kann doch nicht
ernsthaft jemanden überrascht haben! Neu ist doch nur, dass diese
Hohlbirnen jetzt auf die Straße gehen und Plakate in den Winterregen
halten. Sollen sie doch. Ich wünsche viel Spaß und eine saftige
Erkältung.
Das einzige Phänomen, das ich sehen
kann, ist jenes, dass die Medien hierzulande alles, was sich erstmals
als „politische Bewegung“ in die Öffentlichkeit drängt,
plötzlich als Sensation verkaufen und so getan wird, als sei
das alles ganz neu. Alle engagierten Bürger müssen nun aufgeregt
Stellung beziehen. Dabei ist das ganze Spiel Jahrzehnte alt und
eigentlich nur albern. Gehen wir doch einmal gemeinsam zurück in der
Geschichte.
Die Piraten.
Es ist noch nicht lange her, da ging
wieder einmal ein Sturm durch die Medienlandschaft. Mit den Piraten
gab es eine „neue politische Kraft“. Donnerwetter. Haben die mal
irgendwo mitregiert? Haben die digitalen Fredis irgendwas zu melden?
Nein, haben sie nicht. Also was sollte das Theater? Und es war ein
Theater. Rauf und runter wurde dieser Hype diskutiert. Wer sind die?
Woher kommen die? Entschuldigung. Es gibt in unserer Gesellschaft
junge Menschen, vorwiegend männlich, die scheiße aussehen, sich
scheiße anziehen, sich selten waschen und keinerlei soziale
Kompetenzen vorweisen können. Deshalb haben sie keine Freunde und
vor allem keinen Sex.
Das ist nicht neu! Heute heißen die
Nerds und es gibt Fernsehserien über ihr Leben. Bevor es das
Internet gab, hatten sie keinen eigenen Lebensraum, hießen in der
Schule Asis und wurden in die Mülltonne gesteckt. Die 80er. Eine
liebe Zeit.
Heute sitzen die Nerds in ihren
Studentenbuden bis morgens um 4 vor dem Linux-PC und denken sich mit
gleichgesinnten Opfern der Gesellschaft im Internet
Verschwörungstheorien aus. Auf dem Mond war noch nie jemand, die
Freimaurer haben die US-Regierung schon vor Jahrhunderten
unterwandert und die Deutsche Bahn wirft Leichen auf die Schienen, um
ihre Verspätungen zu rechtfertigen. Es war doch aber klar, dass sich
irgendwann mal ein paar von den blassen Teiggesichtern
zusammenschließen, für ihre weltfremden Ideen eine Partei gründen
und ein paar notorische Protestwähler auf ihre Seite ziehen würden.
Für exakt ein Jahr. Danach kehrten sie in die Studentenwohnheime der
naturwissenschaftlichen Fakultäten zurück und spielten abends
wieder „Die Siedler von Catan“. Ende der Episode.
Die Linke.
1990. Das Vaterland im Rausch der
Freude. Wir hatten schließlich gerade die Ostzonalen vom Joch des
Sozialismus befreit. Und kurze Zeit später tauchte die PDS auf. An
der Spitze ein kleines linkisches Männchen mit absurder
Nickelbrille. Und irgendwie sahen auch in dieser Partei alle scheiße
aus und zogen sich scheiße an. Diese Damen und Herren propagierten aber wacker, dass in der Ostzone nicht alles schlecht gewesen
sei und überhaupt wollten sie die gute alte Dame DDR zurück. Unter
Hitler war angeblich auch nicht alles schlecht, wurde mir in meinem
Zivildienst aus der passenden Generation oft versichert. Erstaunlich,
wie Regime ihre Insassen oft gleich prägen.
Aber es gab keinen medialen Aufschrei.
Die Sache war einfach nicht neu. Die PDS war die SED mit neuem Namen
und gab altverdienten Stasileuten ein Zuhause. Das nannte man den
Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Dass unter den Ostzonalen noch
einige linke Quertreiber vegetieren, haben wir im Westen damals doch
alle geahnt. Thema SED: eben beim Schreiben fällt mir auf: waren die
nicht alle häßlich und scheiße angezogen?
Der Aufschrei kam jedenfalls erst, als
sich verwirrte Wessis den Stasileuten anschlossen und manchmal auch
im Westen ein paar Wählerstimmen bekamen. Die neue politische Kraft,
die mit Populismus auf Dummenfang geht, war geboren. Hallo? Das ist
nicht neu! Ich komme aus einem Dorf im südlichen Niedersachsen. Die
linke Kraft mit den einfachen Rezepten für Doofe hieß in meiner
Jugend SPD-Ortsverein! Nach Gerhard Schröder wurden diese Leute
geistig obdachlos und in der Stasiherberge waren Zimmer frei. Also,
was hätten Sie denn getan? Sind doch alles nur Menschen!
Die Grünen.
Anfang der 80er gab es auch schon ein
Erdbeben in der politischen Landschaft. Ein paar Wirrköpfe, die –
Sie ahnen es sicher – scheiße aussahen und scheiße, diesmal
wirklich richtig scheiße, angezogen waren, traten auf die politische
Bühne. Meist hatten sie es mit Gutmensch-Themen wie Umweltschutz und
Weltfrieden, allgemeinverbindlich für alle. Da konnte man ihnen
nicht recht böse sein.
Nervtötend war nur, dass sie sich
stetig Dinge ausdachten, gegen die sie dann leidenschaftlich zu Felde
zogen. Konsumterror. Waldsterben. Es gab nie ein Waldsterben! Aber
das machte diese Menschen irgendwie aus. Sie hatten keine Sorgen,
also dachten sie sich welche aus. Auch das ist menschlich.
In den goldenen 70ern haben sie in den
Nachwehen der 68er Proteste ihr Studium stressfrei und kiffend in
alternativen Diskussionskreisen hinter sich gebracht und dabei über
alternative Lebensentwürfe diskutiert, die man nur diskutieren oder
leben kann, wenn das Geld dazu ebenso stressfrei von Dritter Seite
kommt. Und so war es ja. Danach rutschten diese Leute wiederum
stressfrei in den öffentlichen Dienst oder gleich die lebenslange
Verbeamtung als Lehrer. Dort konnten sie den ganzen Vormittag Kindern
klarmachen, dass sie alles besser wissen und hatten nach der
Mittagspause sehr sehr viel Zeit. Und sehr sehr wenig Sorgen.
Das wurde natürlich schnell
langweilig. Da musste man sich auf andere Weise die Zeit vertreiben.
Beispielsweise erlaubten sich die Lehrer unter ihnen schlimme Scherze
mit Schülern, etwa indem sie den heranwachsenden Jungs stetig
eintrichterten, dass Frauen möglichst sensible und verständnisvolle
Männer bevorzugen, die auch möglichst oft zu ihren Tränen stehen.
Das führte zu einer Generation von Jungs, die bis Mitte 20 immer
sehr viele beste Freundinnen und sehr wenige richtige Freundinnen
hatte.
Aber auch das wurde natürlich
irgendwann langweilig und deshalb musste der große Wurf her. Die
Grünen gründeten sich. Und da war was los im Fernsehen. Aber das
war auch nicht neu! Die Leute kannten wir doch alle. Vormittags von
Behördengängen und aus der Schule. Nachmittags aus Bibelkreisen,
Bürgerinitiativen und ihrem zweiten Zuhause: der Volkshochschule, wo
sie Kurse besuchten wie: Tanzen für den Weltfrieden oder
esoterisches Makramee.
Pegida.
Pegida gab es schon in meiner Jugend,
hieß damals aber natürlich nicht „Pegida“. Die Sache hatte
eigentlich keinen Namen. Sie war vielmehr:
„Dorfbevölkerung-im-südlichen-Niedersachsen-aber-nur-die-echten-und-nicht-die-zugezogenen-aus-der-Stadt“.
Menschen wie Du und ich.
Ich habe sie viel gesehen in meiner
Jugend und ich lieh Ihnen mein Ohr. Meist saßen sie wohl in
Dorfkneipen; da durfte ich jedoch altersbedingt noch nicht rein. Eine
gute Chance hatte man aber z.B. im Rahmen von Fußballturnieren. Zu
diesen Anlässen versammelte sich die hiesige Dorfbevölkerung gern
im Clubhaus, rauchte eine HB-Zigarette nach der anderen und dann
ging's los.
Da wurde zunächst die politische
Weltlage im Allgemeinen und sodann die innenpolitische Lage im
Besonderen beleuchtet. Meist wenig differenziert, dafür laut und
plakativ. Dazu flossen Bier und Korn in Mengen. Versteht sich. Es
ging dann um „Neger“ und „Kanaken“. Es ging um „Hippies“
und „Punker“ (bitte hier unbedingt deutsch aussprechen. Also
nicht nur falsch „Punker“ statt „Punks“, sondern bitte
zusätzlich mit gesprochenem „u“). Aufgrund der meist
protestantischen Konfessionsmehrheit im Harzvorland kriegten auch
noch die „Katholen“ ihr Fett weg und Muslime hießen
„Mohamedaner“; die kriegten erst recht ihr Fett weg, obwohl
keiner einen kannte. Außer vielleicht den Ali aus der Firma. Der war
aber immer nett. Und irgendwie ja auch ein Mensch. Soviel Fairness
gab es dann doch.
Also: Nicht so ein Theater um die
Hohlbirnen veranstalten. Die sind nicht neu. Sie haben nichts zu
melden. Sie sehen scheiße aus und sind scheiße angezogen!
Captain Slow