Stets kritisch

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Montag, 14. April 2014

Katzenmusik und Erklärbär



Katzenmusik und Erklärbär - Von Philipp Heine

Ich bin Ehemann und Hundebesitzer. Das bedeutet, dass ich – im Rahmen des gemeinschaftlichen Familienfernsehens – gehalten bin, ein gewisses Quantum an Tiersendungen anzuschauen.

Dieses Genre lässt sich grob in zwei Varianten aufteilen: Zum Ersten gibt es Sendungen, die den Intellekt ansprechen. Diese stellen Erziehungsmethoden für Haustiere, neue Erkenntnisse der Zoologie, Verhaltensforschung oder die Bedrohung bestimmter gefährdeter Arten vor. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Formate, die komplett darauf ausgerichtet sind, weibliche Urinstinkte anzusprechen. Hier werden niedliche Zootierchen gezeigt, wie sie sich putzen, bei der Mami saugen oder verspielt herumspringen. Oder es werden allerärmste Tierwaisen gezeigt, die dringend ein neues Heim benötigen. Welpen, Küken, große traurige Augen, Katzenbabies, die von einer Hündin abgeleckt werden, ein blindes Häslein oder rührend freche Frettchen bringen die Dame des Hauses in greifbare Nähe des Zustandes, in dem die Milch einschießt.

Das Männchen unterliegt zwar der gesellschaftlichen Verpflichtung, wenigstens ansatzweise Krieger und Jäger zu sein, dennoch muss ich zugeben: Auch ein Mann ist in der Lage, Niedlichkeit und lustige Tiere zu genießen. Aber es gibt eine fast unüberwindliche Hürde, die einen Mann entweder abschreckt, oder in einen rauschartigen Wahn versetzt, der verlangt, dass der teure Flatscreen mit einer XXL-Axt niedergestreckt wird und in Folge dessen mit leisem finalem Stöhnen aus den Lautsprechern blutet und schließlich seine kleine rechteckige Seele aushaucht. Bestandteile dieser Hürde sind einmal die musikalische Untermalung der genannten Sendungen und weiterhin die Gestaltung und Intonation der Sprachkommentare.
Diese möchte ich im Folgenden näher betrachten, um zukünftige Familiendramen, Amokläufe oder autoaggressives Verhalten bei Männern zu verhindern.

Um eine Tiersendung der zweiten Kategorie zu vertonen, hat der Regisseur drei Arten von Musik zur Auswahl: Dixieland-Jazz, afrikanische Folkloremusik oder assoziative Musik, die dank „Peter und der Wolf“ nicht ohne Holzbläserensembles und die Tuba auskommt. Vermutlich bilden Tiersendungen die einzige Einkommensmöglichkeit für die Vertreter dieser Musikrichtungen. (Nur die Jazzer können noch in Kabarettsendungen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten unterkommen.) Es ist eine fast amüsante, aber jedenfalls surreale  Vorstellung, wie ein Oboist mit bunten Kleidern und Propellermütze vor einem Monitor sitzt und grübelt, ob der Nasenbär eher durch einen Triller, oder einen chromatischen Lauf dargestellt werden kann. Es stellt sich die Frage, welches Publikum außerhalb von Tiersendungen solche Musik hören würde. Nach längerem Nachdenken fallen mir nur Kindergartenkinder unter dem Einfluss von Ritalin ein.
Diese Feststellung führt mich direkt zu den Sprachkommentaren: Auch hier herrscht eine gewisse Kindergartenatmosphäre. Die Männer befleißigen sich einer Kunststimme, die man einübt, um einen märchenerzählenden Teddybären zu synchronisieren. Die Damen sprechen wie Erzieherinnen, die mit einer Gruppe von 15 Sechsjährigen im Morgenkreis sitzen und eine gaaanz tolle Geschichte von Hansi der Schermaus erzählen wollen. Man könnte sich aber auch in ein Gespräch von Muttis in der Krabbelgruppe versetzt fühlen. Mit fließenden Übergängen wird zwischen Kommunikation unter Erwachsenen und Babytalk hin- und hergeschaltet. 

Wir kommen zum Motiv der grausamen Tat: An welche Zielgruppe denken die Produzenten und Autoren besagter Tiersendungen? Der gesamte Habitus deutet darauf hin, dass an Vatis und Muttis gedacht wird, die „Familie & Co“ lesen, einen „Kevin on board“-Aufkleber auf dem Kombi haben und sicherstellen wollen, dass die Kurzen noch vor der Analphase wissen, was eine Lachhyäne ist. Auch Tiermamis gehören zum eingeplanten Publikum. Die welpenbedingte Hormonlage wird mit absoluter Sicherheit dafür sorgen, dass keine Frau sich an Musik und Kommentaren stört. Nicht in der Rechnung berücksichtigt wurden allerdings all jene Männer, die sich aufopfern, um ihrer Frau zu zeigen, dass sie an ihren Interessen Anteil nehmen. Mit glasigen Augen, zwischen Unglaube und Aggression schwankend, sitzen sie vor dem Fernseher und fragen sich, ob sie es persönlich nehmen sollen, wenn Medienmacher sie wie Kleinkinder behandeln.
Ich möchte diesen Beitrag also mit einem Gnadengesuch an die Verantwortlichen in Funk und Fernsehen schließen: Bitte, auch wenn das Zeitalter des Mannes Vergangenheit ist, lasst ihm einen Rest an Würde. Auch wenn er nicht so stolz und schön ist, wie ein spanischer Windhund.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie und Ihr Ehepartner die gleichen Fernsehsendungen mögen!

Philipp Heine

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