Stets kritisch

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Sonntag, 23. Februar 2014

Will ich in der ersten Reihe sitzen?



Will ich in der ersten Reihe sitzen? - Von Philipp Heine

Vor langer Zeit ähnelten sich Weltpolitik und Fernsehen sehr: Beide hatten nur zwei mögliche Programme und alles war sauber in schwarz und weiß aufgeteilt. Angeboten wurden mindestens 10 Jahre alte Spielfilme, Talkshows, einige Serien, Tatort, Aktenzeichen XY, Tagesschau, Schulfernsehen, Sesamstraße und im Sommer einen Karton für´s Kind. Zudem hatte man die Wahl zwischen einem Schweinderl der Wahl und „Wetten dass…“. Auch die altdeutsche Fraktion war nicht vergessen worden. Mit fröhlichem Schunkeln im Musikantenstadl konnte Omas Generation beruhigt und davon abgehalten werden, den Rest der Welt wieder heim ins Reich holen zu wollen. 

Schließlich in den 80ern brach die Medienbarbarei über Deutschland herein. Die Privaten kamen und brachten neue Ideen und wechselhaftes Niveau mit. Erstaunlicherweise blieben die Konzepte und Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender bis heute davon komplett unberührt. Gelegentlich wurde ein Format übernommen, ab und an verlor man Übertragungsrechte für Sportveranstaltungen, aber trotzig blieb alles unverändert. Der einzige Wandel der in den letzten 30 Jahren erkennbar geworden ist, besteht darin, dass in Talkshows nicht mehr geraucht und weniger Alkohol konsumiert wird (, es sei denn, Helmut Schmidt ist anwesend). Und nicht zu vergessen: Die Mainzelmännchen wurden dem Multimediazeitalter angepasst.
 
Von Beginn an hatte der staatliche Rundfunk den Charme einer Beamtenfantasie. Verwirrung und Verwunderung über Stilblüten und Kuriositäten wurden unmerklich zum festen Bestandteil medialer Unterhaltung in Deutschland. Es ist faszinierend, dass sich einige Ikonen der Absurdität bis heute bewahrt haben: Das bajuwarische Schulfernsehen wurde in den 70er Jahren gestaltet und gedreht. Seither werden die gleichen Folgen regelmäßig über den Äther gejagt. Jede dieser Sendungen, ob naturwissenschaftlicher oder fremdsprachlicher Art, hinterlässt Zuschauer, die zwar keinen Deut besser in Naturwissenschaften oder Fremdsprachen geworden sind, aber mit offenem Mund staunen und sich fragen, ob sie das eben wirklich gesehen, oder merkwürdig geträumt haben. Beängstigend blickende Männer mit Pullundern und Frisurversuchen, die darauf schließen lassen, dass sich ihre nächtlichen Fantasien ausschließlich um Mama und mathematische Ableitungen drehen, referieren monoton Zahlenreihen, die grobpixelig auf dem Bildschirm erscheinen und genauso anschaulich und nachvollziehbar für Schüler sind, als wären sie auf russisch geflüstert worden. Die einzigen Lektionen des Schulfernsehens, die sich ins Gedächtnis eingebrannt haben, beziehen sich auf das Erkennen von sexuellen Abwegen bei gescheiterten Akademikern.
 
Nicht ohne Grund fragt man sich, was eigentlich mit all den Rundfunkgebühren angestellt wird, die von jener schwarzen Brigade eingetrieben wird, in der sich all jene tummeln, die früher lederbemäntelt Abweichler in Limousinen mit laufendem Motor geschubst und in korrektiven Institutionen verschwinden gelassen hätten.
 
Die erste Antwort lautet: Einkauf von Sportübertragungsrechten. Das System von Doping, Korruption und Ausnutzung derer, die´s in den Beinen und nicht im Kopf haben, wird am Laufen gehalten, damit auch Hooligans und Subalterne gelegentlich Erfolge feiern können.
 
Als zweite Antwort müssen Rundfunk- und Fernsehpreise genannt werden: Fachleute, die man nicht kennt, beurteilen Prominente, die man nicht kennt, um ihnen für Beiträge, die man nicht kennt, Preise zu überreichen, die nach Menschen benannt sind, die man nicht kennt.
 
Die letzte Antwort muss natürlich der Posten der Gehälter sein. All die Kreativen, die uns täglich erleuchten und beglücken, verdienen selbstverständlich eine großzügige Entlohnung. Da Qualität immer teuer ist, muss der Rundfunk sowohl durch den Verkauf von Werbeslots, als auch durch die Beiträge des Bürgers finanziert werden. Jedem Politiker und sonstigem Verantwortlichen ist dabei zweifellos klar, dass die Beiträge pauschal sein müssen und sich nicht auf tatsächlich konsumierte Dienstleistungen beziehen dürfen, da sonst binnen einer Stunde nur noch 6300 pensionierte Lehrer aus der 68er Generation öffentlich-rechtliche Sender einschalten würden. Gewisse Widersprüche mit Verfassung und freier Marktwirtschaft können hingenommen werden, da der Deutsche nicht wirklich dafür bekannt ist, sich gegen die Obrigkeit aufzulehnen. Es bleibt uns also nur, ARD, ZDF und die dritten Programme als historisches Kuriosum zu betrachten, auch wenn klar ist, dass Menschen, die sich von so etwas unterhalten lassen, sicherlich auch über Behinderte lachen. 
 
Die Erfahrung lehrt, dass auch ein blindes Huhn mitunter Körner findet. So habe auch ich schon durchaus Interessantes und Amüsantes im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesehen und gehört. In Anbetracht der Rechnung, die mir allerdings dafür präsentiert wird, hätte ich darauf verzichten können.

Ich wünsche Ihnen zarte Opernklänge, Schunkeln und binomische Formeln, die Garant für tiefen und gesunden Schlaf sind.

Philipp Heine

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