Stets kritisch

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Donnerstag, 27. März 2014

Tierhalter – Eine possierliche Subkultur



Tierhalter – Eine possierliche Subkultur - Von Philipp Heine

Tiere können für den urbanen Westeuropäer verschiedene Funktionen haben: Wächter, Kindersatz, Freundersatz, Accessoire, Statussymbol, Sportskamerad oder Fußwärmer. Für mein eigenes Haustier, einen elfjährigen Labrador, trifft neben „Kumpel“, „Raumdeodorant“ und „Verschlinger alles theoretisch Essbaren“ besonders letzteres zu. Mit dem Kauf eines nicht-menschlichen Hausgenossen wird man automatisch Teilhaber an einer neuen, bunten und surrealen  Welt, in der es oft merkwürdig riecht. Nicht nur Tiere sorgen in diesem Paralleluniversum für abstrakte Eindrücke, sondern besonders auch eine Vielzahl an Herrchen und Frauchen in ihren diversen Schattierungen. Dieser Umgang prägt das Alltagsleben ungemein: Man schaut andere Sendungen, unterhält sich ohne mit der Wimper zu zucken über alle vorhandenen Variationen von Fäkalien, als ginge es um Erdbeeren, man lernt interessante Menschen kennen, von denen man nur den Namen des Tiers kennt und man verliert – selbst als Mann – die Scheu, mit lauter quietschiger Stimme, untermalt von irrsinniger Gestik, Kommandos zu brüllen, während sich der kleine Kollege in den nächsten Busch verdrückt, um ekelige Gegenstände zu fressen.
Besonders interessant finde ich die Beobachtung anderer Tierhalter. Es gibt auf der Welt nur äußerst wenige Dinge, die derart sympathisch, bizarr und farbenfroh sind, wie die Kombination aus Mensch, Macke und Haustier. Am radikalsten sind alle Ausprägungen der mehr oder weniger artgerechten Tierliebe bei den menschlichen Weibchen vertreten. Im Folgenden möchte ich einige exemplarische Urtypen der Tierhalterin vorstellen und näher betrachten:

Die Fachfrau:

Egal um welches Tier es sich handelt, immer finden sich besondere Damen in der Vereins- und Trainingsgruppenszene, die besonders erfahren, informiert und engagiert sind. Oft hat man den Eindruck, dass bei diesen der Grad an Professionalität proportional zu Körpergewicht und Männermangel steigt. Analysiert man die Sprache dieser Fachfrauen, dann fällt eine gewisse Ähnlichkeit zu derjenigen von frisch gebackenen Müttern auf: Mit resoluter Sachlichkeit wird die jeweils einzig vertretbare Methode der Zucht oder Erziehung doziert, wobei unerklärte Fachbegriffe, Abkürzungen und Produktnamen obligatorisch mit betonter Routine eingeflochten werden. Andere Auffassungen werden mit übertrieben falschem Lächeln oder offenem Naserümpfen disqualifiziert. Da die Fachfrauen oft einen großen Anteil ihres sozialen Lebens dem Vierbeiner opfern und über umfangreiche Fachkenntnisse verfügen, sind sie diejenigen Halter, die Mümmel, Minka und Wuffi sich wünschen.

Die Lebendpelzträgerin:

Im krassen Gegensatz zur ersten Gruppe geht es nun um Vertreterinnen der Weiblichkeit, die meist keinerlei Wissen über Tiere mitbringen. Stattdessen verfügen sie über ausreichende Barmittel und das dringende Bedürfnis, sich und ihren sozialen Status öffentlich darzustellen. Die Auswahl des Tiers orientiert sich in der Regel an den prominenten Vorbildern: Welche Tiere schauen aus der Handtasche des momentan angesagtesten It-Girls? Was wackelt über den roten Teppich? Womit schmücken sich Menschen, die es geschafft haben? Mit was geht der Edelmann auf Jagd? Welcher Goldfisch ist der teuerste? Qualzucht oder zuchtbedingte Eigenschaften, die über die äußere Erscheinung hinausgehen sind kein Thema bei der Entscheidung. Namensgebung und hochkarätiges Zubehör sind deutlich wichtiger. Fast immer folgt eine Tragödie für Mensch, Tier und Wohnungsausstattung.

Frauchen Theresa

Jeder Fernsehzuschauer weiß heutzutage, dass der Süd- und Südosteuropäer  dazu neigt, Tiere wie gefühllose Nutzgegenstände zu behandeln. Entsprechend werden in Deutschland Butterfahrten in spanische und rumänische Tierheime organisiert, wo empörte Tiermamis ihren Urinstinkten freien Lauf lassen können. So strömen jedes Jahr Heerscharen geretteter Notfälle ins Land der tierlieben Teutonen. Nichts brauchen wir mehr als traumatisierte, kranke und verhaltensauffällige Hunde und Katzen, an denen anscheinend ein Mangel besteht. Auf diesem Wege werden die Probleme zwar nicht gelöst, sondern in unser Land verlagert, aber immerhin profitieren Hundeschulen, Tourismus und das Fernsehen vom Mitleidsgeschäft.

Die Patientin

An wen wenden sich all jene Frauen, die eine schwere Kindheit, einen brutalen Ehemann oder ein traumatisches Erlebnis hatten? Richtig! An den stets treuen und kuscheligen Partner mit vier Pfoten, der immer ehrlich, gefühlvoll und authentisch ist.  Er wird vom Tier zum Partnerersatz, Seelentröster oder Bodyguard. Da ein Tier komplett andere Strategien und Prioritäten bei der Wahrnehmung und Bewertung seiner Lebenswelt hat, als ein Mensch, kann er diese Funktionen nur innerhalb seiner besonderen Grenzen erfüllen. Gelingt es Frauchen in ihrer Pein nicht, zwischen Mensch und Tier zu unterscheiden, dann darf sich der gespannte Zuschauer auf Bonmots freuen, die gern mit zerbissenen Schuhen, Klopapier, Kissenfüllungen, gelben Pfützen im Haushalt, hysterischen Jagden nach dem eigenen Schwanz, Knurren, Zähnefletschen oder kompletter Missachtung zu tun haben. 
 
Zusammenfassend kann man sagen, dass es eine große Bereicherung und Erfahrung ist, ein Haustier zu halten. Ob es allerdings Halter und Tier sind, die davon profitieren, oder nur der hämische Beobachter, hängt davon ab, inwiefern sich der beteiligte Mensch vor der Anschaffung  über die spezifischen Eigenschaften des Tieres, die Tatsache, dass es sich um ein Tier handelt und die eigene psychische Situation bewusst geworden ist.

Ich wünsche Ihnen allen einen fröhlichen Begleiter, der ihre Wohnung aus glücklichem und treuem Herzen mit Haaren und Düften dekoriert.

Philipp Heine

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