Das Reservat der Kreativität - Von Philipp Heine
Fast jeder Mensch, der älter als 10 Jahre ist, assoziiert
mit Clowns und Pantomimen eher exzessive Gewalt, die entweder von diesen
ausgeht, oder die man ihnen antun möchte, als die Erfüllung kreativer Ideale
oder auch nur gute Unterhaltung.
Dennoch gibt es in Deutschland junge Erwachsene, die vom rechten Weg abgekommen sind und magisch von Jonglage-Keulen und einer Zukunft in der darstellenden Kunst angezogen werden. Um anders und einzigartig zu sein, legen sie seit der sogenannten 68er-Revolution die unverändert gleichen Uniformen an: Strickmützen, Ballonhosen, Natoparkas und andere Bonmots aus der Second-Hand-Boutique. Zur Sommerzeit gibt es keinen Universitätscampus, wo sie nicht barfuß jonglieren und aus den neutralen Blicken der Passanten abzuleiten suchen, dass sie der Avantgarde angehören. Warum überwinde ich mein Fremd-Schämen und gaffe, wenn Menschen sich offensichtlich sehenden Auges um ihre wirtschaftliche Zukunft, um jeglichen modischen Geschmack und um ihr zukünftiges Selbstwertgefühl bringen?
Dennoch gibt es in Deutschland junge Erwachsene, die vom rechten Weg abgekommen sind und magisch von Jonglage-Keulen und einer Zukunft in der darstellenden Kunst angezogen werden. Um anders und einzigartig zu sein, legen sie seit der sogenannten 68er-Revolution die unverändert gleichen Uniformen an: Strickmützen, Ballonhosen, Natoparkas und andere Bonmots aus der Second-Hand-Boutique. Zur Sommerzeit gibt es keinen Universitätscampus, wo sie nicht barfuß jonglieren und aus den neutralen Blicken der Passanten abzuleiten suchen, dass sie der Avantgarde angehören. Warum überwinde ich mein Fremd-Schämen und gaffe, wenn Menschen sich offensichtlich sehenden Auges um ihre wirtschaftliche Zukunft, um jeglichen modischen Geschmack und um ihr zukünftiges Selbstwertgefühl bringen?
Der schreiende Notstand auf deutschen Bühnen und in
deutschen Filmen zwingt mich, nach einem Grund für das Totalversagen zu suchen.
Wenn Till Schweiger und Veronika Ferres die Elite des deutschen Schauspiels
sein sollen, wie abgrundtief schlecht kann dann nur der Rest sein?
Bei meiner Bestandsaufnahme möchte ich mit den Regisseuren
beginnen. Ich will versuchen zu rekonstruieren, welche Elemente benötigt
werden, um ein vollkommenes Schauspiel zu inszenieren:
Da Deutsche Tiefe brauchen und sich nicht mit
angloamerikanischer Oberflächlichkeit abgeben, muss im Zentrum des Geschehens
ein Antiheld stehen, der nicht schön, aber emotional sein muss. Sein Mut
richtet sich nicht nach außen, sondern nach innen. Er wagt es also, seine Gefühle
hinaus zu brüllen. Besonders effektiv ist es, eine starke Frau in den
Mittelpunkt zu stellen, die ungeschminkt, überlegen und zugleich sensibel ist.
Auch sie schreit ihre Gefühle hinaus, zieht sich dabei jedoch aus, da Scham und
Konventionen transzendiert wurden. Als Provokation und Gegenpart braucht es den
Tabubruch, der den kritischen Geist des Zuschauers wecken soll. Das Publikum
wird mit dem Bösen, dem komplett Unerwarteten konfrontiert: Anstelle der
erwarteten Landsknechte rennen schreiende Angehörige der SS auf die Bühne, die
in reinem Schwarz gehalten ist, um den Fokus auf die reine Botschaft zu legen.
Unter lautem Geschrei wird die nackte Frau von den Nazischergen ins Off
gezerrt. Würde Goethe in der kritischen Postmoderne leben, er hätte es genauso
gemacht. Da schreiende Nazis nach 50 jähriger Tradition gelegentlich nicht
überraschend genug sind, kann als Alternative das Ministerium für
Staatssicherheit oder – wenn es lustig sein soll – ein homosexuelles Pärchen
einspringen. Grundlegend ist, dass das Ziel einer schauspielerischen Darbietung
nicht die Unterhaltung des Publikums, sondern die Unterrichtung sein muss.
Dafür ist traditionell die Theaterbühne am besten geeignet. Der Film ist nur
eine moderne Perversion, eine Konserve, die auf das Konto der Amerikaner geht.
Wenn man also einen Film machen muss, dann hat er den Gesetzen der Bühne zu
gehorchen. Was nicht dem bürgerlichen Bildungsideal entspricht, gewinnt keine
öffentlich-rechtlichen Preise und könnte die Jugend verderben. Die kreative
Freiheit ist sehr wichtig, also hat man sie zum Eigenschutz strengen Regeln und
Kontrollen unterworfen, die hier und da sogar überparteilich und werbefrei sein
können.
Die Schauspieler lernen schnell, dass sie untauglich für die
normale Welt sind und müssen sich sklavisch fügen, um engagiert zu werden. Brechen
sie die Regeln gibt es nur zwei Wege: Bei Erfolg geht es vielleicht nach
Hollywood, bei Mangel an Talent führt der Weg mit den Stationen „Verbotene
Liebe“, Musical und schließlich „Dschungelcamp“ steil nach unten in die Hölle.
Doch am Horizont zeichnet sich ein fahler Lichtschein ab.
Die Bühnen kommen in Bewegung. Und diese Bewegung kommt aus einer unerwarteten
Ecke. Nach der deutschen Wiedervereinigung fiel die Angst vor dem atomaren
Inferno von den Menschen ab, und sie entdeckten, dass auch Deutsche einen Humor
haben können, der ohne Uniform und Narrenkappe auskommt. Noch in den 80ern war
es unmöglich gewesen amerikanische Komödien zu übersetzen, ohne Pointen durch
unlustige Gedichtchen zu ersetzen. Doch dann erschienen Darsteller, die sich
nicht mehr Komiker, sondern Comedians nannten. Doch dem intellektuellen
Bürgertum sind letztere nach wie vor suspekt, da sie mit Anglizismen um sich
werfen und nicht die bewährten Regeln der anspruchsvollen Lustigkeit einhalten.
Diese Regeln sind denen des regulären Schauspiels eng verwandt und werden
greifbar, wenn man das politische Kabarett betrachtet: Schreiende Männer mit
verstellten Stimmen müssen Politiker imitieren, politische Aussagen überbetont
herausbrüllen und dürfen nicht einmal davor zurückschrecken, Wortspiele mit den
Namen der Politiker zum Besten zu bringen. Obligatorisch ist auch die
Jazz-Untermalung. Um zu zeigen, dass das klassische kulturelle Repertoire
vorhanden ist, muss auch hier und da ein politischer Jazz-Chanson gesungen
werden. Auch hier gilt: Belehrung ist wichtiger, als Belustigung.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es nicht leicht sein
wird, darstellende Kunst aus deutschen Landen zu einem emotionalen Vergnügen zu
machen, so lange die Darsteller zwischen Kopflastigkeit und politischem
Klassenkampf der 68er Jahre gefangen sind. Manchmal gelingt jedoch auch hier
ein Glückstreffer. Allerdings nur, wenn es thematisch um die NS-Zeit, die
DDR-Zeit oder um eine Beziehungskomödie geht, an der ein schwules Pärchen
beteiligt ist.
Ich wünsche uns allen, dass wir den Mut aufbringen zu sagen,
dass wir amerikanisch- oberflächliches Entertainment super finden.
Philipp Heine
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